25.10.2012
0

Die Schlinge zieht sich zu

Von Dr. Wulf Hambach und Maximilian Riege, Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Deutschland droht wegen des neuen Glücksspielstaatvertrages weiteres Ungemach aus Brüssel. Mit dem am Montag von EU-Binnenmarkt-Kommissar Barnier vorgestellten „Aktionsplan zum Online-Glücksspiel“ beschreibt die EU-Kommission ihre geplanten Initiativen in den kommenden zwei Jahren. Dies könnte weitere Klagen gegen Deutschland vor dem EuGH bedeuten.

Der deutsche Glücksspielmarkt kommt nicht zur Ruhe. Kaum vier Monate ist es her, dass der neue Glücksspielstaatsvertrag am 1. Juli 2012 in Kraft getreten ist. Doch die EUKommission, Glücksspiel-Anbieter und Rechtsexperten sind alles andere als glücklich mit dem Entwurf. Neben der Nichtbeachtung von europarechtlichen Grundsätzen, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit und des sog. Kohärenzgebotes, wurde mehrfach die mangelnde Kooperationsbereitschaft der deutschen Bundesländer von der EUKommission bemängelt.

Da die Regulierung des Glücksspielmarktes grundsätzlich Sache der einzelnen Mitgliedstaaten ist, sieht die EU-Kommission aber gerade in dem rasant wachsenden Online-Glücksspielmarkt ein Bedürfnis für eine gesteigerte Kooperation sowohl zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden als auch zwischen EU-Kommission und Mitgliedstaaten.

Verbraucherschutz und Geldwäscheprävention im Vordergrund

In den Bereichen Verbraucherschutz, Werbung und Integrität des Sports im Zusammenhang mit Sportwetten plädiert die EU-Kommission für die Vereinbarung von Mindeststandards zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger. Im Bereich der Geldwäsche-
Bekämpfung geht die Kommission noch einen Schritt weiter und wird noch im Herbst dieses Jahres die 4. Geldwäsche-Richtlinie verabschieden, die auch Online-Glücksspiel erfasst und von den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Gleichzeitig prüft die EU-Kommission die Einleitung bzw. Wiederaufnahme von Vertragsverletzungsverfahren gegen einzelne Mitgliedstaaten, die – z.T. wiederholt – gegen europäisches Recht verstoßen. Hierzu hat sie angekündigt ab sofort Informationsersuchen an die betroffenen Mitgliedstaaten zu verschicken. Dies könnte insbesondere für Deutschland zum Problem werden.

Zwar wurde dem neuen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) zunächst eine zweijährige „Gnadenfrist“ in Form einer sog. „Evaluierungsphase“ zugestanden, allerdings mehren sich die Beschwerden gegen den Regulierungsentwurf. Die überaus restriktiven Entwürfe einer glückspielspezifischen Werberichtlinie sowie ein alles andere als transparentes und diskriminierungsfreies Ausschreibungsverfahren für die Vergabe der möglichen 20 Sportwetten-Lizenzen haben die EU-Kommission zusätzlich verstimmt.

Insofern wird man sich in Kreisen der EU-Kommission nur verwundert die Augen gerieben haben, als die neue schleswig-holsteinische Regierung Anfang September die landesrechtlichen Gesetzentwürfe zur teilweisen Aufhebung des Glückspielgesetzes (GlüG) und zum Beitritt zum GlüStV notifiziert hat.

Schleswig-Holstein mit Rolle rückwärts vor den EuGH?

In Anbetracht der 12 bereits auf Grundlage des GlüG erteilten Sportwetten-Lizenzen, die im Gegensatz zum GlüStV auch sog. Live-Wetten auf Sportereignisse zulassen und auch nach der Aufhebung des GlüG in Kraft bleiben werden, bleibt abzuwarten wie Schleswig-Holstein, die EU-Kommission, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer widerspruchsfreien und einheitlichen Glücksspielregulierung, von seinen neuen Gesetzesvorhaben überzeugen will.

Denn während das GlüG im Frühjahr 2011 von der damaligen CDU/FDP-Regierung ohne Probleme bei der EU-Kommission notifiziert wurde, wurden gegen den GlüStV erhebliche europarechtliche Bedenken vorgetragen, welche weiterhin Bestand haben.

Die Zulassung von 20 Sportwetten-Lizenzen bei gleichzeitigem Verbot von Online-Poker ist aufgrund des vergleichbaren Suchtpotentials unter Kohärenz-Gesichtspunkten kaum begründbar und unter dem Gesichtspunkt der Kanalisierung der Kundennachfrage in den regulierten Markt unsinnig. Schließlich stellt Online- Poker nach der Erhebung der EUKommission mit ca. 23 % Marktanteil das zweitpopulärste Online-Glücksspiel nach Sportwetten (32%) in der EU dar.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Kieler Landtag, Wolfgang Kubicki, merkt diesbezüglich zutreffend an, man könne die bestehende „Nachfrage nur dann auf den legalen Markt lenken, wenn man einen legalen Markt hat. Wer aber Online-Poker nicht zulassen will, schafft keinen legalen Markt.“

Monopolkommission stützt GlüG Schleswig-Holstein

Darüber hinaus ist nicht erklärbar, warum nur 20 Sportwetten Lizenzen vergeben werden sollen. Die willkürlich erscheinende Festsetzung der Lizenz-Anzahl haben sowohl die EUKommission als auch die deutsche Monopolkommission kritisiert. Darüber hinaus wurde bemängelt, dass eine Begrenzung der Anzahl von Lizenzen unter dem Aspekt der Suchtprävention ungeeignet ist, da die Ereignisfrequenz der Sportwetten nicht maßgeblich durch die Anzahl der Wettanbieter beeinflusst wird, sondern abhängig von dem Angebot der Sportereignisse, auf die gewettet werden kann.

Die Monopolkommission hat in Ihrem 14. Hauptgutachten darüber hinaus festgestellt, dass eine (fünfprozentige) Umsatz-Besteuerung für Online-Glücksspielanbieter unsinnig ist, weil sie dazu führt, dass der Anbieter selbst in dem Fall Steuern zahlen muss, wenn er, z.B. bei einer angebotenen Sportwette, erheblichen Verlust macht, weil er eine große Gewinnsumme an einen Wettkunden auszuzahlen hat. Dadurch würden die regulierten Sportwettenanbieter quasi dazu gezwungen, ihre Preise zu erhöhen bzw. schlechtere Quoten anzubieten. Ein solches Besteuerungssystem wird daher kaum zur gewünschten Kanalisierung der Kundenachfrage aus dem nicht kontrollierbaren Schwarzmarkt in den regulierten Markt beitragen, weil unlizenzierte Anbieter attraktivere Quoten anbieten können.

Auch hierzu kommentiert Kubicki: „Wer die Anzahl der Lizenzen begrenzt, wird dem Anliegen der Europäischen Kommission nicht gerecht, attraktive Angebote zu entwickeln. Die Haltung der schleswig-holsteinischen Landesregierung ist daher geradezu kontraproduktiv.“

Festzuhalten bleibt daher, dass die vorgestellten Initiativen der EU-Kommission sowohl der neuen Landesregierung in Schleswig-Holstein als auch den anderen 15 Bundesländern zu denken geben sollten, ob man tatsächlich am GlüStV festhalten bzw. ihm beitreten möchte. Schließlich ist es nie zu spät für einen europarechtskonformen Regulierungsansatz. Die alte Landesregierung in Schleswig-Holstein hat mit dem GlüG gezeigt wie es geht. Andernfalls droht Deutschland ein neues Vertragsverletzungsverfahrens und schlimmstenfalls Buß- oder sogar Zwangsgeld.