22.01.2012
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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wir befinden uns im Jahre 2012 n. Chr.

Ganz Deutschland ist von einem unionsrechtswidrigen Glücksspielmonopol und einer inkohärenten Glücksspielregulierung besetzt… Ganz Deutschland? Nein! Ein von
unbeugsamen Deutschen bevölkertes Bundesland hört nicht auf, der Inkohärenz Widerstand zu leisten …

So könnte man die derzeitige glücksspielrechtliche Situation in Deutschland frei nach Asterix beschreiben. Aus glücksspielrechtlicher Sicht steht uns ein äußerst spannendes neues Jahr 2012 bevor.

Die Rolle der standhaften Gallier hat Schleswig-Holstein eingenommen:

Es ist das erste und bisher einzige Bundesland, das der EU-Kommission im Notifizierungsverfahren eine Glücksspielregulierung vorgelegt hat, die von Brüssel als mit
der Dienstleistungsfreiheit vereinbar bewertet wurde.

Es ist das erste und einzige Bundesland, das zum Zeitpunkt des am 31. Dezember 2011 ausgelaufenen Glücksspielstaatsvertrags bereits ein neues Glücksspielgesetz (GlüG) verabschiedet hatte, das seit dem 1. Januar 2012 in Kraft ist.

Es ist das erste und bisher einzige Bundesland, das das staatliche Glücksspielmonopol für Sportwetten und Poker durch eine liberales Modell ersetzt und durch die Vergabe auch von Online-Genehmigungen einen derzeit aus deutscher Sicht rechtsfreien Raum reguliert.

Es wird das erste und bis dahin einzige Bundesland sein, von welchem aus ab dem 1. März 2012 (Online-) Glücksspiele mit einer in Deutschland erteilten Genehmigung angeboten werden.

Dem gegenüber stehen die anderen 15 Bundesländer, in denen trotz des Auslaufens des Glücksspielstaatsvertrags bis heute keine neue Regelung umgesetzt worden ist. Ein erster Entwurf eines Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) war von der EU-Kommission als nicht unionsrechtskonform eingestuft worden. Auf die Umsetzung eines zweiten Entwurfs eines GlüÄndStV, der frühestens am 1. Juli 2012 in Kraft treten soll, haben sich die 15 Bundesländer zwar grundsätzlich geeinigt. Allerdings ist dieser von der EU-Kommission noch nicht als unionsrechtskonform beurteilt worden. Und grünes Licht aus Brüssel für den GlüÄndStV darf nach wie vor bezweifelt werden, wie auch die Beiträge in dieser Ausgabe der TLN aufzeigen:

Einerseits finden Sie in dieser Ausgabe einen Beitrag des renommierten Professors für EUBinnenmarktrecht von der Universität Bonn, Professor Dr. iur. Christian Koenig, LL.M („EUrechtskonforme Leuchtfeuer im deutschen Norden wider den regulatorischen Irrlichtern des Glücksspieländerungsstaatsvertrages“, Seite 4 ff.). Prof. Koenig ist ausgewiesener Experte für Glücksspielrecht und hat mit unserer Kanzlei das Verfahren Carmen Media vor dem EuGH geführt. In seinem Beitrag beschäftigt er sich mit der Frage der EURechtskonformität des derzeitigen GlüÄndStV der 15 Bundesländer einerseits und des GlüG aus Schleswig-Holstein anderseits. Er stellt dar, warum zwei so unterschiedliche Regelungsregime innerhalb eines Mitgliedsstaates EU-rechtlichen Anforderungen nicht Stand halten können. Ferner setzt er sich kritisch mit der sog. Experimentierklausel des GlüÄndStV auseinander und erläutert, warum diese rechtlich nur scheitern kann.

Andererseits finden sie in dieser Ausgabe einen Beitrag der Strafrechtsexpertin Dr. Annette Marberth-Kubicki, den sie gemeinsam mit Dr. Wulf Hambach und Dr. Bernd
Berberich aus unserem Hause in der K&R, Ausgabe 1/2012, veröffentlicht hat („Aktuelle Entwicklungen im deutschen Glücksspielrecht“, Seite 10 ff.). Der Beitrag skizziert die rechtlichen Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung seit den bahnbrechenden Urteilen des EuGH vom 8. September 2010. Auf dieser Basis erfolgt eine Bewertung der sich für Deutschland abzeichnenden Parallelität zweier unterschiedlicher Regulierungskonzepte und die unionsrechtlichen Konsequenzen einer solchen Entwicklung.

Mit Spannung schauen wir auf die weiteren Entwicklungen in diesem Jahr. Derzeit sieht es so aus, als wird Schleswig-Holstein seine Vorreiterrolle vorerst beibehalten. Am 16. Januar findet bereits die erste Glückspielrechtskonferenz in Norderstedt in Schleswig-Holstein statt. Dort werden u.a. die neuen Regelungen des GlüG und der Rechtsverordnung von Regierungsdirektor Guido Schlütz als Vertreter der Glücksspielaufsicht des Kieler Innenministeriums vorgestellt und erläutert (vgl. http://www.germanyonlinegaming.com/ und http://www.isa-casinos.de/gaming/articles/34788.html).

Viel Spaß beim Lesen und ein gutes neues Jahr 2012 wünscht Ihnen

Stefan Bolay