15.12.2011
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1. Politischer Poker um die Glücksspielregulierung

Von Rechtsanwälten Dr. Wulf Hambach und Maximilian Riege, Hambach & Hambach Rechtsanwälte

 Deutschland hat ein Poker-Jahr erlebt – Pius Heinz gewann als erster Deutscher die World Series of Poker (WOSP), die deutsche Poker Nationalmannschaft ist in London Weltmeister geworden und die European Poker Tour hat drei deutschsprachige Sieger erlebt. Und blickt man nach Schleswig-Holstein, so hat der Pokersport auch endlich eine vernünftige Regulierung erfahren.

Es könnte also so schön sein – wären da nicht noch die 15 anderen Ministerpräsidenten, die mit Poker partout nichts am Hut haben und Online-Poker auch künftig verbieten wollen. Diese Rechnung haben die 15 jedoch ohne die EU-Kommission gemacht, die schon eine brauchbare Rechtfertigung haben möchte, warum Poker verboten bleiben soll.

The same procedure as every year: Ministerpräsidenten treffen sich in Berlin und können sich beim Glücksspiel nicht einigen.

Es könnte so einfach sein: Im Mai 2011 hat die EU-Kommission das neue Schleswig-Holsteinische Glücksspielgesetz als unionsrechtskonform durchgewunken – zu diesem Zeitpunkt hätten sich die übrigen Länder diesem Regulierungsmodell anschließen können und alles wäre gut gewesen. Aber, das wäre offensichtlich zu einfach gewesen: Die übrigen Länder ignorierten Schleswig-Holstein und reichten ihren eigenen Glücksspielstaatsvertrags-Entwurf bei der Kommission ein, der im Sommer kläglich bei der EU-Kommission scheiterte.

Nun treffen sich die 16 Ministerpräsidenten wieder. Während das Nordlicht Schleswig- Holstein sein unionsrechtskonformes Gesetz konsequenterweise im September im Kieler Landtag verabschiedet hat, haben sich die übrigen Länder daran gemacht, einen von der Kommission auf über 10 Seiten regelrecht zerhackten Entwurf erneut zu überarbeiten. Noch im August hat der Rädelsführer des E-15, Martin Stadelmeier (Chef der Staatskanzlei in Rheinland Pfalz), in der Presse bekannt gegeben, dass man bis Ende 2011 ein fertiges und von der EU-Kommission überprüftes Gesetz haben werde, dass man notfalls auch ohne Schleswig-Holstein und ohne den Abschluss der Prüfung durch die EU-Kommission abzuwarten, unterschreiben wolle. Nunmehr steht aber fest, es wird keinen Prüfungsabschluss durch die EU-Kommission vor dem 15. Dezember und damit auch keinen Staatsvertrag mit Schleswig-Holstein geben. Peter Harry Carstensen wird also als einziger Ministerpräsident mit einem unionsrechtskonformen Gesetz und sozusagen „weißer Weste“ nach Berlin reisen. Die „E15“ haben sich hingegen offensichtlich verpokert.

Dennoch scheinen die anderen 15 deutschen Ministerpräsidenten vorerst an ihrem Plan festhalten zu wollen, einen neuen Glücksspielstaatsvertrag zu unterzeichnen. Aufgrund unvermindert bestehender unionsrechtlicher Bedenken ist es allerdings sehr fraglich, ob es tatsächlich zur Unterschriftsleistung und einer anschließenden Ratifizierung in den Länderparlamenten kommt.

Hintergrund

Die Notwendigkeit einer neuen Glücksspielregulierung in Deutschland ergibt sich zunächst aus zweierlei Gründen: Zum einen wurde der alte Glücksspielstaatsvertrag vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) als unionsrechtswidrig eingestuft (vgl. Rs. Carmen Media und Markus Stoß), zum anderen war die Laufzeit des bisherigen Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) ohnehin bis zum 31. Dezember 2011 befristet.

Im Laufe des vergangenen Jahres haben sich allerdings zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze zur Neuregulierung des deutschen Glücksspielmarktes herauskristallisiert. Auf der einen Seite Schleswig-Holstein, auf der anderen Seite die anderen 15 deutschen Bundesländer, die sog. „E15“.

Schleswig-Holstein hat sich für das sog. dänische Regulierungssystem entschieden, welches Marktteilnehmer aufgrund des Regulierungsumfangs (Sportwetten, Poker und Casino) sowie des Steuersatzes (20% auf Rohertrag) als „akzeptabel“ bezeichnen. Dadurch soll nicht nur der unzweifelhaft bestehende Grau- und Schwarzmarkt ausgetrocknet, sondern auch der Spielerschutz verbessert werden. Schließlich findet das bisherige Online-Glücksspiel, wie bei einem Grau- bzw. Schwarzmarkt üblich, am Rande oder gänzlich ohne staatliche Kontrolle statt und das, obwohl Online-Glücksspiel bereits heute 10% Prozent des gesamten deutschen Glücksspielmarktes ausmacht und die Tendenz sich bislang als stark steigend erweist.

Durch eine angemessene Regulierung der verschiedenen Glücksspielarten, einschließlich Online-Casinospielen wie Poker, soll die vorhandene Kundennachfrage – Deutschland ist Studien zufolge der zweitgrößte Pokermarkt der Welt – zu legalen, seriösen Angeboten gelenkt werden, damit Spieler und seriöse Anbieter bestmöglich vor Sucht-, Manipulations- und Betrugsrisiken geschützt werden können.

Die E15 scheinen hingegen vor der Wirklichkeit die Augen zu verschließen und ohne Rücksicht auf Unions- und Verfassungsrecht weiterhin am Glücksspielmonopol festhalten zu wollen. Abgesehen von einer siebenjährigen „Experimentierklausel“ für private Sportwettenanbieter, soll es weiterhin beim staatlichen Glücksspielmonopol und dem grundsätzlichen Verbot von Online-Glücksspiel bleiben.

Dabei haben der EuGH und die Europäische Kommission nicht nur das (alte) deutsche Glücksspielmonopol für unionsrechtswidrig erklärt. Vielmehr hat die Europäische Kommission im Juli dieses Jahres auch den ersten Entwurf zum (neuen) Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) als unionsrechtswidrig verurteilt (zum ersten Entwurf des GlüÄndStV siehe http://www.lto.de/de/html/nachrichten/3754/neuregelung_des_gluecksspiels_15_bundeslaender_setzen_aufs_falsche_pferd/).

Die seitdem vorgenommenen Modifikationen am Entwurf sind jedoch eher kosmetischer als substantieller Natur. So bleibt es beim Verbot von Online-Casinospielen (und damit auch von Online-Poker); statt 7 privaten Sportwettenanbietern sollen nunmehr 20 zugelassen werden; die Abgabenlast von privaten Anbietern wird zwar vermindert, soll sich aber immer noch am Umsatz, anstelle des glücksspielspezifisch sinnvolleren Rohertrages bemessen.

Entsprechend erheben Rechtsexperten weiterhin erhebliche Einwände gegen den neuen Entwurf. Die Begrenzung der Sportwettenlizenzen auf 20 ist nach juristischen Maßstäben genauso willkürlich wie die Begrenzung auf 7 Lizenzen. Wenn es der E-15-Gruppe tatsächlich um die Austrocknung des Schwarzmarktes in Deutschland ginge, so müssten sie erklären, warum 20 Wettlizenzen ausreichen, wenn doch in Dänemark (ca. 5,5 Mio. Einwohner) in diesem Jahr laut dänischer Aufsichtsbehörde allein knapp 70 (!) Lizenzanträge für den ab 2012 geöffneten Markt eingegangen sind. Auch die vermeintliche Rechtfertigung des Glücksspielmonopols mit der Bekämpfung von Suchtgefahren ist bereits mehrfach von Gerichten verworfen worden, da die staatlichen Anbieter selbst nicht konsequent gegen die Bekämpfung von Spielsucht vorgehen, sondern ungeniert für ihre Angebote, insbesondere die ausgeschütteten Gewinne und Jackpots Werbung machen. Darüber hinaus werden Glücksspielarten mit weit höherem Suchtpotential, wie zum Beispiel die sog. Automatenspiele, weiterhin kaum reguliert und Glücksspielarten mit ähnlichen Sucht- und Manipulationsrisiko, wie z.B. Sportwetten und Poker, sollen nunmehr unterschiedlich behandelt werden. Der EuGH hat die deutsche Glücksspielregulierung daher bereits in der Vergangenheit mehrfach als uneinheitlich und nicht schlüssig gebrandmarkt.

Wenn sich die 15 Ministerpräsidenten an Ihrer Aussage messen lassen wollen, ein EUrechtskonformes Gesetz zu schaffen, welches von der EU-Kommission freigegeben wird, dann darf am 15. Dezember folgerichtig rein gar nichts passieren. Denn die Prüfung des modifizierten GlüÄndStV-Entwurfs ist noch nicht abgeschlossen.

Falls es wider Erwarten doch zu einer Unterschrift der „15“ kommen sollte, wäre der zweite „blaue Brief“ aus Brüssel innerhalb eines Jahres vorprogrammiert.

Schleswig-Holstein kann das bunte Treiben, trotz politischen Drucks der anderen Bundesländer, ganz gelassen beobachten. Sein Glücksspielgesetz ist von der Kommission als unionsrechtskonform beurteilt und bereits im September vom Landtag verabschiedet worden. Es wird von Rechtsexperten und Wirtschaft gelobt, verbessert Spielerschutz und Steuereinnahmen des Landes gleichermaßen und wird zum 1. Januar 2012 in Kraft treten. Peter Harry Carstensen hat also ein sehr gutes Blatt auf der Hand.

Mehr zu dem Thema:
http://www.lto.de/de/html/nachrichten/3544/poker_angebote_im_internet_virtuelle_zocken_auf_dem_weg_in_die_legalitaet/