Rudolf Streinz/Marc Liesching/Wulf Hambach (Hrsg.), Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien
Dr. Volker Heeg, MMR-Aktuell 2014, 360607, Meldung vom 31.07.2014, Redaktion MMR-Aktuell
Rudolf Streinz/Marc Liesching/Wulf Hambach (Hrsg.), Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien. Kommentar, München (C.H.BECK) 2014, ISBN 978-3-406-63782-7, € 129,-
Endlich liegt mit dem von Streinz/Liesching/Hambach herausgegebenen Werk ein Kommentar auf dem Gebiet des Glücksspielrechts vor, der das Rechtsgebiet aus einer wirtschaftlich verständigen und europarechtskonformen Sichtweise erläutert. Das viel beklagte Alleinstellungsmerkmal des 2012 in 2. Auflage erschienenen Kommentars von Dietlein/Hecker/Ruttig (DHR) ist damit endgültig entfallen. Die Autoren des DHR haben dieses Alleinstellungsmerkmal nach Ansicht einiger Rezensenten durchaus i.S.e. recht einseitigen Darstellung des deutschen Glücksspielrechts genutzt (vgl. die Rezensionen v. Mintas, MMR-Aktuell 2013, 351535; Heeg, K&R, Heft 7/8 2013, S. IX f.). Das vorliegende Werk liest sich in weiten Zügen auch als Antithese zum DHR.
Begrüßenswert ist zunächst, dass eine Kommentierung zu sämtlichen relevanten glücks- und gewinnspielrechtlichen Regelungswerken gegeben wird. Im Zentrum steht selbstverständlich der Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV). Im Gegensatz zum DHR wird aber auch das GlüG Schleswig-Holstein ausführlich kommentiert. Eine eigenständige Kommentierung ist auch für die relevanten strafrechtlichen Bestimmungen aufgenommen (neben § 284 StGB insb. auch zum Tatortprinzip). Begrüßenswert und von großer praktischer Relevanz ist auch die Kommentierung zu den neuen geldwäscherechtlichen Regelungen, die sich erstmals direkt an die Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen im Internet richten. Getreu dem Anliegen der Herausgeber, die Querschnittsmaterie umfassend abzubilden, werden auch weitere Gesetze und höherrangiges Recht mit der thematisch vorgegebenen Akzentuierung kommentiert. Dieser Ansatz ist sowohl akademisch unanfechtbar als auch praxisnah. Er entspricht einem modernen, nicht auf das Gefahrenabwehrrecht beschränkten Verständnis des Rechtsgebiets. Nachfolgend sollen stichprobenartig einige Schwerpunkte der Kommentierung dargestellt werden.
Im Zentrum der staatsvertraglichen Neuregelung steht das Konzessionsmodell für die Sportwette (§ 4a ff. GlüStV). An dieser Stelle ist die Kritik an der Regulierung sehr ausführlich geraten, was teilweise zu Lasten der Normkommentierung geht. In der Tat kommt das mit der europaweiten Ausschreibung der Konzessionen im August 2012 gestartete Verfahren nicht recht voran. Als eingebaute Soll-Bruchstelle der Vergabe erweist sich die – in der Kommentierung völlig zu Recht als willkürlich qualifizierte – Begrenzung der Anzahl auf 20 Konzessionen. Das hessische Innenministerium hat im Herbst 2013 den „Reset“-Knopf für die zweite Stufe des Konzessionsverfahrens gedrückt. Insoweit ist dem Ausblick von Bolay/Pfütze wenig hinzuzufügen: „Das Verfahren zur Konzessionsverteilung weist einige formelle und materiell- rechtliche Schwächen auf. Dem Verfahren fehlt es nicht nur an Transparenz … Nach Erteilung der Konzessionen bestehen für Klagen nicht berücksichtigter Anbieter durchaus gute Erfolgsaussichten.“
Zu § 5 GlüStV, der Art und Umfang der Werbung für Glücksspiele reguliert, ist erfreulicherweise die ergangene WerbereRL abgedruckt und ausführlich kommentiert. Liesching/Bolay legen zunächst überzeugend dar, dass es sich bei der Werberechtlinie um eine bloß norminterpretierende (nicht: normkonkretisierende) Verwaltungsvorschrift handelt. Sie bindet damit – entgegen den Erläuterungen zum GlüStV (und gegen DHR) – die Gerichte nicht. Dreh- und Angelpunkt der Argumentation ist die rechtliche Einordnung des sog. Glücksspielkollegiums, die in der Tat interessante staatsrechtliche Fragestellungen aufwirft. Erfreulich meinungsstark und klar fällt auch die rechtliche Wertung zu Einzelvorschriften der WerbeRL aus. Die Pflicht zur behördlichen Vorabkontrolle von Fernseh- und Internet-Werbung wird als verfassungswidrig eingestuft.
Als Tour d’Horizon sehr empfehlenswert ist die Kommentierung von Streinz/Michl zum EG-Vertrag. Die europäischen Grundfreiheiten waren in der Vergangenheit bekanntlich wiederholt die argumentativ letzten Rettungsanker von Glücksspielanbietern vor staatlichen Eingriffen. Die Kommentierung ordnet die in diesem Zusammenhang ergangenen leading cases in den systematischen Zusammenhang ein. Angesichts der derzeit anhängigen Vorlagen deutscher Gerichte zum geltenden GlüStV ist das Verständnis dieser Zusammenhänge für das Rechtsgebiet nach wie vor grundlegend.
Sehr zu loben ist auch die erschöpfende, aber nicht ausladende Kommentierung von Englisch zu dem als „zerklüfteten Rechtsgebiet“ bezeichneten Thema „Steuern und Abgaben auf Glücksspiel“. Das Verhältnis und die Abgrenzung der Besteuerung nach Rennwett- und Lotteriegesetz (dem seit 1.7.2012 auch die Sportwetten unterliegen) zur Konzessionsabgabe nach GlüStV, Glücksspielabgabe nach GlüG Schleswig- Holstein und einer Umsatzbesteuerung wird verständlich aufgezeigt. Überraschenderweise wird die mögliche Doppelbesteuerung ausländischer Sportwettenanbieter als europarechtlich zulässig angesehen. Insofern vertritt Englisch eine andere Rechtsauffassung als Birk/Brüggemann im DHR. In beiden Kommentaren liegt damit die steuerrechtliche Einschätzung bestimmter Regelungen konträr zum i.Ü. recht homogenen Tenor des jeweiligen Werks. Dies ist erfrischend, zeugt von akademischer Unabhängigkeit und wäre dem vorliegenden Werk (wie auch in besonderer Weise dem DHR) auch an anderen Stellen gut zu Gesicht gestanden.
Zusammenfassend: Das vorliegende Werk beeindruckt vom Umfang der abgehandelten Materie und der praktisch durchgängig vorhandenen Tiefe. Der Fußnotenapparat zeugt von sorgfältiger Lektorierung. Dem Streinz/Liesching/Hambach ist zu wünschen, dass er bei Gerichten, Behörden und den übrigen Teilnehmern rasch seinen gebührenden Platz auf Augenhöhe mit dem Dietlein/Hecker/Ruttig erhält. Wie dem DHR wird allerdings auch dem „SLH“ der Vorwurf der Einseitigkeit und Parteilichkeit nicht erspart bleiben. Gleichwohl: In einem umkämpften Rechtsgebiet tritt der Streinz/Liesching/Hambach mit dem legitimen Anspruch an, rechtliches Terrain für die Befürworter einer Liberalisierung des Glücksspielrechts zu behaupten. Dieses Unterfangen ist schon i.S.e. sportlichen Wettbewerbs sehr zu begrüßen.
Dr. Volker Heeg ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei Weinert Levermann Heeg in Hamburg sowie Vorsitzender des Aufsichtsrats der Mybet Holding SE.