22.10.2009
0

NJW-Editorial: Bad Beat für Bwin in Portugal

Veröffentlicht von Dr. Wulf Hambach und Tobias Kruis, LL.M. in NJW-Editorial, Heft 44/2009, S. III

Beim Poker bezeichnet ein Bad Beat eine Hand, die trotz ihrer offensichtlichen Stärke noch verliert. Für einen Pokerspieler ist ein solcher Bad Beat oft ein traumatisches Erlebnis. Ähnlich ergeht es Bwin nach der Verkündung des Urteils Liga Portuguesa. Danach ist das portugiesische Monopol für Glücksspiele im Internet mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar. Zu erwarten war dieser Ausgang nämlich nicht, handelte es sich bei der portugiesischen Regelung doch um eine der restriktivsten Europas  und ließ die jüngere Rechtsprechung zum Thema Glücksspiel (NJW 2007, 1515 – Placanica) eher eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durch den EuGH erwarten.

Doch schon die Schlussanträge votierten für einen weiten Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten; der EuGH ist dem jedenfalls im Ergebnis gefolgt. Unter Hinweis auf die fehlende Harmonisierung wird die Erforderlichkeit – bisher der Schwerpunkt in der Verhältnismäßigkeitsprüfung – praktisch nicht mehr geprüft. Dies verwundert, sah sich der Gerichtshof doch bisher nicht veranlasst, auf Grund fehlender Harmonisierung den Prüfungsmaßstab zurückzunehmen. Man denke nur an den Bereich der direkten Steuern. Hier mag eine Rolle gespielt haben, dass mit der Dienstleistungsrichtlinie nun eine Harmonisierung existiert, Rat und Europäisches Parlament Glücksspiele aber ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen haben. „Wenn der Europäische Gesetzgeber eine Harmonisierung explizit ablehnt, dann soll es auch keine ‚Harmonisierung durch die Hintertür der Grundfreiheiten‘ geben“, so könnten die Richter gedacht haben.

Weiter wird auf die „Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind“, verwiesen. Dabei ist fraglich, ob diese Besonderheiten wirklich im Vordergrund stehen. Zuletzt häuften sich Urteile, in denen der EuGH den Mitgliedstaaten mehr Spielraum gewährt. Dies sind die Urteile zum deutschen und italienischen Apothekenrecht (NJW 2009, 2112; EuZW 2009, 415 = NJW 2009, 2803 L), aber auch Judikate zu anderen Rechtsbereichen (etwa EuZW 2009, 173).

Zugleich scheint sich der Schwerpunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Geeignetheit zu verlagern. Der EuGH hat nun erneut bestätigt, dass es hier auf die kohärente und systematische Ausgestaltung der ein bestimmtes Ziel verfolgenden Regeln ankommt. Das Urteil Hartlauer (EuZW 2009, 298) liefert die Prüfkriterien: Kohärent und systematisch ist eine Regelung dann nicht, wenn vergleichbare Kategorien unterschiedlich behandelt werden, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre.

Weniger Erforderlichkeit, mehr Geeignetheit. Für das anhängige Verfahren Carmen Media zum deutschen Glücksspielrecht könnte dies  entscheidende Bedeutung haben. Das VG Schleswig (BeckRS 2009, 31208) fragt: „Ist Art. 49 EG dahingehend auszulegen, dass dieser einem maßgeblich mit der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren begründeten nationalen staatlichen Veranstaltungsmonopol auf Sportwetten und Lotterien … entgegensteht, wenn in diesem Mitgliedstaat andere Glücksspiele mit erheblichem Suchtgefährdungspotenzial von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen und die unterschiedlichen rechtlichen Regelungen … auf der unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder und des Bundes beruhen?“ Der nächste Bad Beat könnte daher zu Lasten der Bundesländer gehen, die am Glücksspielstaatsvertrag
festhalten.
Dr. Wulf Hambach und Tobias Kruis, LL.M.,
München