07.01.2009
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Poker – illegal oder legal? CHIP Interview mit Dr. Wulf Hambach und Andreas Gericke

erschienen in der CHIP SPECIAL Online-Poker

Die Rechtslage: Was bedeutet der neue Glücksspiel-Staatsvertrag für die Poker-Szene? CHIP befragte Spezialisten zu dieser und anderen Rechtsfragen.

Unsere Rechtsexperten Dr. Wulf Hambach und Andreas Gericke aus der Münchner Kanzlei Hambach & Hambach beantworten wichtige juristische Fragen zum Thema Online-Poker.

CHIP: Seit Anfang 2008 ist der Glücksspiel-Staatsvertrag in Kraft. Kann das darin enthaltene Verbot von Internet-Glücksspielen Bestand haben?

Hambach: Zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten haben entweder bereits einen streng regulierten privaten Glücksspielmarkt oder sind auf dem Weg dahin. Dass man nicht bestimmte Bereiche wie das Glücksspiel einfach aus dem Internet herausschneiden kann, legt schon der Name nahe – es gibt eben kein „Deutsches Internet“, sondern ein dezentral strukturiertes World Wide Web. In diese Richtung geht auch die Kritik der EU-Kommission in einem Anfang dieses Jahres eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren, das nächstes Jahr – falls Deutschland keine Einsicht zeigt – auch vor dem Europäischen Gerichtshof landen wird. Damit laufen die Bundesländer sehenden Auges ins offene Messer: Zahlreiche Gerichtsverfahren werden nicht nur das Monopol schwächen, sondern vor allem für Rechtsunsicherheit sorgen.

CHIP: Schon seit langer Zeit streiten sich Gerichte darüber, ob Poker nun Glücksoder Geschicklichkeitsspiel ist. Ist immer noch keine Entscheidung in Sicht?

Hambach: Die brisante Frage, ob bestimmte Poker-Varianten, etwa Texas Hold‘em, eher als Geschicklichkeitsspiel anzusehen sind, wird von den deutschen Gerichten noch nicht klar beantwortet. Wir werden wohl so lange warten müssen, bis wir in einem Gerichtsverfahren einen pokerspielenden Richter haben, der sich dieser spielrechtlichen Materie mit Sachverstand nähert. Bis dahin werden die Richter weiterhin lapidar auf eine alte Reichsgerichts-Entscheidung aus dem Jahr 1906 verweisen – und das ist ein grober Fehler. Denn: Poker ist nicht gleich Poker. Die Entscheidung von 1906bezog sich auf eine alten Draw-Poker-Variante, bei der es sich – anders als bei Texas Hold‘em – wohl tatsächlich um ein Glücksspiel handelt.

Vor kurzem äußerten das Verwaltungsgericht Hamburg und das Landgericht Hamburg zumindest Bedenken gegen die pauschale Qualifizierung aller Poker-Varianten als Glücksspiel. Dieser Trend wird sich fortsetzen.

Auch unsere Kanzlei setzt sich mit diesem Thema bereits seit einigen Jahren wissenschaftlich auseinander. Wenn man eine über 100 Jahre vorherrschende, starre Rechtsauffassung ändern will, braucht man nicht nur eine saubere Beweisführung, sondern auch viel Geduld.

Ich erwarte in Kürze eine Grundsatzentscheidung eines deutschen Gerichts mit der Folge, dass einige Poker-Varianten nicht mehr vom Glücksspiel-Staatsvertrag betroffen sein werden.

CHIP: Fast alle Online-Pokerräume bieten auch kostenlose Spielmöglichkeiten an, um den Nutzer auf die Seiten zu locken, auf denen um Geld gespielt wird. Wird damit nicht das Verbot des illegalen Glückspiels umgangen?

Hambach: Es darf keine willkürliche Vermischung zwischen Echtgeld- und Spielgeld-Pokerangeboten geben. Rein juristisch gesehen müssen diese Angebote eine unterschiedliche URL aufweisen – etwa „.net“ für Spielgeld- und „.com“ für Echtgeldseiten. Die Spielgeld-Angebote dürfen auch nicht auf die Echtgeld-Angebote verlinken, um die Spieler zu den Echtgeld-Angeboten zu locken.

Die Spielgeldseite von Pokerstars.de ist TÜV-geprüft

Die Gratis-Pokerschulen wie EverestPoker.net oder PokerStars.de folgen dem Trend der Zeit und bieten geschätzten fünf Millionen (Online-)Pokerspielern aus Deutschland die Möglichkeit kostenloser Unterhaltung. Dass diese Form des Gaming unbedenklich ist, zeigt etwa die Tatsache, dass jüngst eine der größten kostenlosen Online-Pokerschulen – PokerStars.de – ein Sicherheits-Zertifikat des TÜV Rheinland erhielt. Hier ist eine Vermischung ausgeschlossen.

CHIP: Kann man unbesorgt im Internet Poker spielen oder ist das nach der heutigen Rechtsprechung schon Teilnahme an illegalem Glücksspiel?

Gericke: Die Ungewissheit, ob man sich strafbar macht oder nicht, darf nicht dem Bürger aufgebürdet werden. Das entschied das Landgericht Stade Anfang September in seinem Strafverfahren gegen einen Wettbüro-Betreiber. Erstmalig mit Bezug auf den seit dem 1. Januar 2008 geltenden Glücksspiel-Staatsvertrag stellte ein deutsches Gericht fest, dass in Deutschland die chaotische Rechtslage im Bereich des Glücksspiels die Anwendung des Strafrechts ausschließen kann. Beim Pokern kommt außerdem die unklare Rechtslage im Zusammenhang mit der Geschicklichkeitsspiel-Diskussion hinzu. Wenn danach schon der Veranstalter eines Glücksspiels nicht weiß, ob er strafbar handelt oder nicht, dann kann der Pokerspieler die Strafbarkeit seines Verhaltens wohl erst recht nicht beurteilen.

Noch nie wurde ein Online-Pokerspieler verurteilt

Darüber hinaus ist mir aus der Beratungsspraxis kein Fall bekannt, in dem es zur Verurteilung eines Online-Pokerspielers wegen Verstoßes gegen § 285 Strafgesetzbuch (Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel) gekommen ist.

CHIP: Im Internet spielen Poker-Angebote eine immer größere Rolle. Wie sieht es mit den Gewinnen aus? Muss man die versteuern?

Gericke: Pokern hat in den letzen Jahren immens an Attraktivität gewonnen – sowohl für den Laien als auch für den Profi. Was den Profi vom Hobbyspieler in steuerrechtlicher Hinsicht unterscheidet, ist die Antwort auf die Frage, ob nur aus Spaß an der Sache gepokert wird. Sollte nämlich die Absicht im Vordergrund stehen, sich damit den Lebensunterhalt zu finanzieren, könnte man auch für den Profispieler eine Steuerpflichtigkeit bei den Einkünften aus dem Pokern annehmen. Wie so oft im Steuerrecht sind aber auch hier die Grenzen fließend. Selbst die Steuerverwaltungen der Länder scheinen noch nicht zu wissen, ob es eine Steuerpflichtigkeit des Poker-Profis gibt und wie diese aussehen soll. Um die Steuerpflichtigkeit im Einzelfall zuverlässig beurteilen zu können, kann ich nur raten, einen Steuerfachmann zu diesem Thema zu befragen.

CHIP: Anbieter von Online-Poker besitzen oft Lizenzen aus Malta oder von der Isle of Man – wenn man Pech hat, stammt die Poker-Lizenz auch von den Mohawk-Indianern (s. s60). Hat man bei einem ausländischen Anbieter überhaupt eine Chance, an sein Geld zu kommen, falls es zu Unstimmigkeiten kommt?

Gericke: Grundsätzlich gibt es beim Online-Poker die gleichen Risiken wie im Online-Handel. Wenn sich der Vertragspartner einige tausend Kilometer entfernt in einem fremden Land befindet, ist es nun einmal nicht einfach, sein Recht schnell durchzusetzen. Bei Streitigkeiten wird man sich vor allem auch mit ausländischen Rechtsordnungen herumschlagen müssen. Immerhin ist es für den Pokerspieler von Vorteil, wenn der Online-Pokeranbieter überhaupt lizenziert ist. Eine Lizenz setzt nämlich auch in diesem Wirtschaftszweig voraus, dass der Anbieter bestimmte Vergabekriterien erfüllt hat und auch weiterhin erfüllen muss. Klar ist, dass diese je nach Ausstellerland erheblich variieren können. Aber die meisten Lizenzverfahren werden von einer „Gaming Commission“ (etwa der Kahnawake-Indianer) oder einer „Gambling Supervision Commission“ (etwa auf der Isle of Man) überwacht und kontrolliert. Einige dieser Aufsichtsbehörden bieten den Kunden die Möglichkeit, sich bei ihnen zu beschweren. Inwiefern das eine zusätzliche Sicherheit für den deutschen Verbraucher bedeutet, ist jedoch fraglich.

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