2. 15 Bundesländer setzen auf’s falsche Pferd
Von Rechtsanwälten Dr. Wulf Hambach und Maximilian Riege, Hambach & Hambach Rechtsanwälte, in Legal Tribune ONLINE, 13.07.2011, http://www.lto.de
Nächste Woche nimmt die EU-Kommission offiziell Stellung zum Entwurf des neuen Glücksspielstaatsvertrags. Dabei werden sich die beteiligten Länder wohl auf reichlich Kritik einstellen müssen. Weil aber kaum Zeit für eine Überarbeitung bleibt, könnte es passieren, dass es bald fast deutschlandweit keine gültige Regulierung mehr gibt. VonWulf Hambach und Maximilian Riege.
Sieben Lizenzen für sieben Jahre, so stellen sich die Vertreter von 15 deutschen Bundesländern die Liberalisierung des deutschenSportwettenmarktes durch den sogenannten E-15-Entwurf vor. Der Ansatz wäre ein Novum in der Glücksspielregulierung Europas, die im Jahr 2012 eine bisher nicht gesehene Öffnung der Märkte erfahren wird: Spanien, Holland und Dänemark sind nur einige Mitgliedstaaten, die dem Glücksspielmonopol demnächst den Rücken kehren werden.
Beim auf den ersten Blick recht ungleichen deutschen Regulierungskampf – bis auf Schleswig-Holstein ziehen alle Bundesländer an einem Strang – kommt nun der EU-Kommission die alles entscheidende Rolle zu. Am kommenden Montag wird ihre Stellungnahme zum „Ersten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland“, dem so genannten E-15-Entwurf, erwartet. Es wird wohl kein angenehmer Tag für die Verfechter des E–15.
Nachdem bereits der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem „Carmen Media-Urteil“ im Herbst vom 8. September 2010 (Rs. C-46/08) die geltende Regelung des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) für europarechtswidrig erklärt hatte, droht dem Änderungsentwurf ein ähnliches Schicksal.
Lizenzbegrenzung statt klarer Vergabekriterien
Es wird erwartet, dass die Kommission in ihrer offiziellen Stellungnahme den geplanten Neuregelungen des E-15 in mehrfacher Hinsicht Verstöße gegen das europäische Recht vorwerfen wird.
Die Hauptkritikpunkte liegen dabei auf der Hand: Neben einer Begrenzung auf sieben Lizenzen für private Sportwettenanbieter und der Höhe der vorgesehenen Lizenzab der E-15-Entwurf die vom EuGH verlangte, konsistente und systematische Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes vermissen.
Was die Begrenzung der Lizenzen angeht, stellt eine derartige Konzessionsregelung unbetritten eine Beschränkung der europäischen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit dar. Solche Eingriffe bedürfen nach europäischem Recht der Rechtfertigung. In Betracht kommen dabei nur zwingende Gründe des Allgemeinwohls, wie zum Beispiel der Verbraucherschutz.
Eine Erklärung, warum nun gerade sieben Lizenzen das richtige Maß für eine Liberalisierung des Sportwettenmarktes darstellen sollen, fehlt allerdings komplett. Vor allem aber stellt sich die Frage, warum nach Auffassung der 15 Bundesländer eine zahlenmäßige Begrenzung der Lizenzen nötig ist und nicht stattdessen strenge, aber transparente Vergabekriterien gelten sollen.
Die Begrenzung auf sieben Lizenzen jedenfalls erscheint schlicht willkürlich und stellt zumindest ab dem achten Lizenzbewerber, der die Lizenzkriterien erfüllt, eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung und damit einen Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten dar.
Das es anders geht, zeigt übrigens Schleswig-Holstein. Dessen Gesetz zur Neuordnung des Glücksspielwesens (GLG-SH) sieht eine strenge Prüfung von Lizenzbewerbern anhand qualitativer Kriterien vor, wie etwa die Gewährleistung eines hohen Spielerschutzniveaus oder die Hinterlegung ausreichender Sicherheiten. Entsprechend hat die EU-Kommission das notifizierte Gesetz bereits im Mai 2011 als europarechtskonform bewertet.
Erdrosselnde Steuerlast und uneinheitliche Regulierung
Ein weiterer Kritikpunkt ist die vorgesehene Besteuerung der Konzessionsnehmer. Neben der üblichen Steuerlast wie der Umsatzsteuer sollen die Lizenznehmer eine zusätzliche „Konzessionsabgabe“ in Höhe von 16,66 Prozent des Spieleinsatzes leisten.
Dies dürfte indes kaum zur angeblich beabsichtigten Austrocknung des Schwarzmarktes führen – wie das Beispiel Frankreich zeigt: Dort hatte man mit einer Konzessionsabgabe von 7,5 Prozent auf den Spieleinsatz nur 20 Prozent des bestehenden Graumarktes kanalisieren können. Um der Schwarzmarktbewegung entgegenzuwirken, hat der sich Chef der französischen Glücksspielaufsichtsbehörde unlängst für eine drastische Steuersenkung im neuen französischen Glücksspielrecht ausgesprochen, um durch und vor allem attraktivere legale Angebote den Wettbewerb besser lenken beziehungsweise kontrollieren zu können.
Schließlich räumt auch der E-15-Entwurf nicht mit der vom EuGH bereits unter Geltung des GlüStV beanstandeten Inkonsistenz und fehlenden Kohärenz des deutschen Glücksspielmarktes auf.
Während für den allgemeinen Sportwettenmarkt wie gesagt nur sieben Lizenzen ausgegeben werden, bleibt der Markt für Pferdewetten wie bisher ohne eine solche Beschränkung. Warum Pferdewetten keine Sportwetten darstellen sollen oder aus welchen Gründen Sportwetten einer strengeren Regulierung als Pferdewetten bedürfen, bleibt ein Geheimnis der beteiligten Bundesländer.
Überdies bleiben Online-Casinospiele wie Poker weiterhin strikt verboten, obwohl Deutschland mit vier Millionen Spielern der zweitgrößte Online-Poker-Markt der Welt ist, und damit dringend in eine geordnete staatliche Regulierung überführt werden müsste.
Ein Déjà-vu vor dem EuGH?
Wie die EU-Kommission die Regelungen des E-15-Entwurfs am Montag tatsächlich im Einzelnen bewerten wird, bleibt abzuwarten. Die dargelegten europarechtlichen Bedenken lassen jedoch kaum auf eine positive Stellungnahme schließen. Letztlich könnte dies zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland führen. Zudem wäre spätestens mit der Ablehnung des achten Lizenzbewerbers mit einer Klage zu rechnen. Den betroffenen 15 Bundesländern könnte dann ein Déjà-vu-Erlebnis vor dem EuGH drohen.
Klar ist, dass für eine europarechtskonforme Änderung der E-15-Entwurf erneut und gründlich überarbeitet werden müsste. Der neue Glücksspielsstaatsvertrag könnte daher kaum vor Ablauf der aktuell geltenden Regelung in den Länderparlamenten ratifiziert werden. Dies würde aber bedeuten, dass es in den betroffenen Bundesländern ab dem 1. Januar 2012 keine geltende Glücksspielregulierung mehr gibt.
Profiteur eines solchen Szenarios könnte das aus der Reihe tanzende Schleswig-Holstein sein: Sobald das GLG-SH in Kraft ist, könnten sich alle an einem legalen Glückspielangebot interessierten Bewerber im Norden der Republik um eine Lizenz bewerben. Sämtliche Steuereinnahmen flössen dann in die Kieler Staatskasse. An eine kohärente Glücksspielregulierung in der Bundesrepublik nach dem Vorbild des E-15-Entwurfs wäre dann nicht mehr zu denken – vielmehr hätten sich die Bundesländer ganz offenbar „verzockt“.