11.08.2015
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Der Bitcoin und das Steuerrecht – (noch) keine Freunde fürs Leben

Von Matthias Weidmann, Hambach & Hambach Rechtsanwälte

1. Funktionsweise und wirtschaftliche Bedeutung von Bitcoins

Der Bitcoin ist die international derzeit wohl bekannteste Kryptowährung (weitere Kryptowährungen sind z. B. Litecoin, Dogecoin, Peercoin oder Ripple). Kryptowährungen sind dezentral geschöpftes Geld in Form digitaler Zahlungsmittel. Überweisungen können in diesem System durch den Zusammenschluss von Rechnern über das Internet mithilfe einer speziellen Peer-to-Peer-Anwendung so abgewickelt werden, dass keine zentrale Abwicklungsstelle mehr benötigt wird. Die Bitcoin-Teilnehmer speichern ihre Guthaben in persönlichen digitalen Brieftaschen, sog. Wallets. Neue Bitcoins können durch das sogenannte Mining hergestellt werden, das allerdings mit einer ansteigenden Zahl von Bitcoins eine ansteigende Rechnerleistung voraussetzt. Die maximale Geldmenge in Höhe von 21 Millionen Bitcoins soll im Jahr 2130 erreicht werden. Zurzeit soll gut die Hälfte aller Bitcoins emittiert sein. Die Bitcoin-Teilnehmer können sich durch Aufwendung von Rechnerleistung an der Herstellung von Bitcoins beteiligen.

Bekommt man die Nachteile einer dezentralen Währung in den Griff, könnte diese Technologie das bisherige System der Zahlungsabwicklung revolutionieren. Sie ist schnell, einfach und kostengünstig für die Verbraucher. Deshalb findet der Bitcoin auch immer mehr Anerkennung in der internationalen Geschäftswelt. Nach Microsoft, Expedia oder Dell akzeptiert nun auch der „Time“-Verlag Bitcoins als Zahlungsmittel. Bei Google sind neuerdings Bitcoin-Apps erlaubt und Bloomberg baut sein Angebot an Bitcoincharts aus.

Damit diese revolutionäre Technologie der Zahlungsabwicklung ihren Siegeszug fortsetzen kann, muss sie aber von einem innovationsfreundlichen Steuersystem flankiert werden. Diese Eigenschaft kann man leider der derzeit beabsichtigten umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Bitcoin-Transaktionen in Deutschland nicht unbedingt attestieren.

2. Steuerrechtliche Einordnung von Transaktionen mit Bitcoins

Im Wesentlichen sind die folgenden zwei Transaktionen mit Bitcoins vorstellbar: Zum einen die Herstellung von Bitcoins (das sogenannte Mining), und zum zweiten die Nutzung von Bitcoins zu gewerblichen (z. B. An- und Verkauf von Bitcoins zu Spekulationszwecken) oder privaten (z. B. Erwerb eines Konsumgutes mittels Bitcoins = Nutzung von Bitcoins als Zahlungsmittel) Zwecken. Bei beiden Transaktionen sind insbesondere ertrag- und umsatzsteuerliche Folgen zu beachten.

a) Herstellung von Bitcoins

Beim Mining von Bitcoins ist insbesondere fraglich, ob bereits die Herstellung von Bitcoins selbst eine steuerbare Tätigkeit ist. Sind die Einnahmen aus der Herstellung von Bitcoins steuerlich relevant, dürfen auch Aufwendungen (Strom-, Hardwarekosten, Transaktionsgebühren, usw.) steuerlich geltend gemacht werden.

  • Einkommensteuer

Ob der Steuerpflichtige die aus der Herstellung von Bitcoins erzielten Einkünfte versteuern muss, dürfte davon abhängen, ob man den Steuerpflichtigen als gewerblichen oder privaten Miner einstuft. Eine gewerbliche Mining-Tätigkeit i. S. d. § 15 EStG ist dann gegeben, wenn der Miner eine nachhaltige Tätigkeit ausübt, die eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erforderlich macht, mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird und sich nicht als bloße Vermögensverwaltung darstellt. Ein privater Miner „schürft“ nur gelegentlich. Er betreibt das Mining nur als Hobby. Da der private Bitcoin-Miner keine Transaktion mit einer anderen Person am Markt durchführt, fehlt es an einer Gegenleistung, so dass allein aus dem gelegentlichen Mining von Bitcoins keine steuerbaren Einkünfte (nach §§ 20 oder 23 EStG) erzielt werden sollten.

Insbesondere der Zeitpunkt, ab wann ein Hobby in eine gewerbliche Tätigkeit umschlägt ist bislang noch nicht geklärt. Dies lässt eine gewisse Rechtsunsicherheit zurück, mit der im Übrigen zur Zeit auch Pokerspieler zurechtkommen müssen. Bei Ihnen stellen sich ähnliche Abgrenzungsprobleme (vgl. https://www.timelaw.de/cms/front_content.php?idart=1044&lang=1). Bei Bitcoin-Minern könnte argumentiert werden, dass die erforderlichen Beteiligung am Markt nicht vorliege, solange der Miner nicht nach außen hin in Erscheinung tritt und seine Mining-Tätigkeit am Markt gegen Entgelt für Dritte erkennbar anbietet. Dies dürfte erst der Fall sein, wenn er seine geminten Bitcoins selbst auch vertreibt, indem er sie z. B. über die eigene Homepage anbietet oder seine Rechenkapazität dem Mining Pool eines zentralen Veranstalters gegen Entgelt zur Verfügung stellt.

Hat man mit den Mining-Aktivitäten gleichwohl einen Gewerbebetrieb begründet und bilanziert, stellt sich die Frage nach der Zugangs- und Folgebewertung der Bitcoins im Betriebsvermögen. Vieles spricht dafür, dass der Bitcoin mangels physischer Greifbarkeit aus ertragsteuerrechtlicher Sicht ein immaterielles Wirtschaftsgut darstellt. Ordnet der gewerbliche Miner dieses immaterielle Wirtschaftsgut dem Umlaufvermögen zu, muss er die Bitcoins mit den Herstellungskosten aktivieren (z. B. Stromkosten und Abschreibungen bei Verwendung spezifischer Rechnerleistung). Werden die Bitcoins dem Anlagevermögen zugeordnet, weil sie auf Dauer dem Betrieb zu dienen bestimmt sind, liegen aufgrund des Aktivierungsverbots für selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter sofort abziehbare Betriebsausgaben vor. Sie schmälern damit den Gewinn des Gewerbebetriebs bereits zu einem früheren Zeitpunkt als es der Fall wäre, wenn die Bitcoins aktiviert werden müssten, da dann allenfalls erst im Wege (außerordentlicher) Abschreibungen Betriebsausgaben generiert werden könnten.

  • Umsatzsteuer

Die Herstellung von Bitcoins sollte mangels Leistungsaustausch mit einer anderen Person weder im gewerblichen noch im privaten Bereich ein umsatzsteuerbarer Vorgang sein. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bislang keine offizielle Stellungnahme seitens der deutschen Finanzverwaltung erfolgt ist. Somit ist es durchaus möglich, dass das Bitcoin-Netzwerk z. B. als GbR qualifiziert werden wird und damit ein Leistungsaustausch zwischen der Gesellschaft und dem Miner oder bzw. und zwischen den Minern untereinander begründet werden könnte. Dies hätte zur Konsequenz, dass der sog. Mining-Reward ein Sonderentgelt der Bitcoin-Nutzer an die Bitcoin-Miner darstellen könnte.

b) Nutzung von Bitcoins zu gewerblichen oder privaten Zwecken

Denkbare Bitcoin-Transaktionen im gewerblichen Bereich sind z. B. der An- und Verkauf von Bitcoins zu Spekulationszwecken als gewerblicher Wertpapierhändler. Bitcoin-Transaktionen im privaten Bereich könnten z. B. der Erwerb von Konsumgütern mittels Bitcoins, also die Nutzung von Bitcoins als Zahlungsmittel, sein.

  • Einkommensteuer

Handelt es sich um einen gewerblichen Wertpapierhändler sind Veräußerungsgewinne aus dem An- und Verkauf von Bitcoins immer einkommensteuerbar.

Der Kauf von Bitcoins zu betrieblichen Zwecken ist zunächst erfolgsneutral und mit den Anschaffungskosten im Umlaufvermögen zu aktivieren. Herausforderungen treten insbesondere bei der Folgebewertung der Bitcoins auf. Einerseits ist zu prüfen, ob Teilwertabschreibungen bei voraussichtlich dauernder Wertminderung zulässig sind, wenn der Kurswert der Bitcoins am Abschlussstichtag unter die Anschaffungskosten gefallen ist. Andererseits ist durch die anwendbare Verwendungsreihenfolge bei Veräußerungen der Bitcoins der Buchwert zu bestimmen, der dem Veräußerungspreis der Bitcoins gegenüber zu stellen ist, um den Veräußerungsgewinn bzw. -verlust zu ermitteln. Diese Problematik stellt sich insbesondere dann, wenn die Bitcoins in mehreren Tranchen zu unterschiedlichen Preisen angeschafft worden sind. Es wird vertreten, dass das für das Umlaufvermögen geltende sogenannte Lifo-Verfahren zur Anwendung kommen soll. Das würde bedeuten, dass die zuletzt angeschafften Bitcoins zuerst veräußert werden, ermöglicht also die Bildung stiller Reserven in der Bilanz des gewerblichen Bitcoin-Händlers, wenn man von steigenden Kursen für Bitcoins ausgeht.

Handelt es sich um einen privaten Bitcoin-Händler, der nur einmalig oder gelegentlich Bitcoins an- und wiederverkauft, ist der Veräußerungsgewinn nur einkommensteuerbar, wenn zwischen der Anschaffung der Bitcoins und der Veräußerung ein Zeitraum von maximal einem Jahr liegt.

Innerhalb der Jahresfrist erzielte Bitcoin-Veräußerungsgewinne sind steuerfrei, wenn die gesamten privaten Veräußerungsgewinne (also nicht nur die aus der Veräußerung der Bitcoins) des Steuerpflichtigen die jährliche Freigrenze i. H. v. 600 Euro nicht übersteigen.

Hat der Steuerpflichtige die Bitcoins nicht gekauft, sondern durch privates (hobbymäßiges) Bitcoin-Mining selbst hergestellt (s. o.), werden etwaige Veräußerungsgewinne nicht besteuert.

Auch bei privaten Bitcoin-Händlern ist die Verwendungsreihenfolge und somit die Ermittlung des Veräußerungsgewinns strittig, wenn der Steuerpflichtige Bitcoins über mehrere Wallets bzw. Online-Depots angeschafft und veräußert hat. Man könnte unter Berufung auf zu § 23 EStG ergangene Rechtsprechung davon ausgehen, dass das sogenannte Fifo-Verfahren anwendbar ist, d. h. die zuerst angeschafften Bitcoins als zuerst veräußert gelten. Somit würde die Verwendungsreihenfolge im privaten Bereich – im Unterschied zum gewerblichen – nicht die Bildung hoher stiller Reserven, sondern eher eine frühzeitige Besteuerung hoher Kursdifferenzen nach sich ziehen, wenn man von steigenden Bitcoin-Kursen ausgeht, s. o.

  • Umsatzsteuer

Werden Bitcoins zu gewerblichen oder privaten Zwecken eingesetzt, liegt gerade im Bereich der Umsatzsteuer die größte Herausforderung für die Besteuerung solcher Transaktionen.

Nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung soll nämlich (auch bei Verwendung zu privaten Zwecken bzw. bei einem schlichten Bezahlvorgang mit Bitcoins) Umsatzsteuer ausgelöst werden, wenn (auch selbst hergestellte) Bitcoins an Dritte verkauft werden. Grund hierfür ist, dass der Bitcoin im Unterschied zum Euro nicht als Zahlungsmittel eingeordnet werden könne und deshalb ein tauschähnlicher Umsatz (Bitcoins gegen Geld) vorläge. Steuersystematisch bedeutet dies, dass die entgeltliche Übertragung von Bitcoins eine steuerbare und steuerpflichtige sonstige Leistung darstellt. Praktisch bedeutet dies das Aus der Kryptowährung, da die Einfachheit der Zahlungsabwicklung konterkariert wird. Dies belegt folgendes Beispiel:

Unterstellt ein Verbraucher möchte einen seiner Bitcoins (derzeitiger Kurswert in etwa 250 Euro) dazu nutzen, um bei einem Internetunternehmen einen Bürostuhl im Wert von 250 Euro inklusive Umsatzsteuer zu erwerben, dann würde diese Transaktion als tauschähnlicher Umsatz eingestuft werden: Das Internetunternehmen erhält Bitcoins (sonstige Leistung) als Entgelt für die Übertragung des Bürostuhls (Lieferung).

Ebene des Internetunternehmens:
Im Hinblick auf den Bürostuhl kommt es zur Gewinn- oder Verlustrealisierung auf Ebene des Internetunternehmens. Das Internetunternehmen muss die Umsatzsteuer aus den 250 Euro für den Bürostuhl an das Finanzamt abführen. Tauscht das Internetunternehmen später die Bitcoins in Euro um, liegt eine Betriebseinnahme in Höhe des Erlöses abzüglich etwaiger Gebühren vor. Für diesen Eintausch der Bitcoins in Euro würde noch einmal Umsatzsteuer geschuldet.

Ebene des Verbrauchers:
Die Verwendung von Bitcoins für die Bezahlung der Lieferung des Bürostuhls stellt für den Verbraucher ebenfalls ein Tauschgeschäft dar. Da jeder Tausch steuerrecht lich gleichbedeutend mit einem Veräußerungs- bzw. Anschaffungsgeschäft ist, liegt im Hinblick auf die hingegebenen Bitcoins eine Veräußerung vor, die innerhalb der Ein-Jahresfrist zu einem Veräußerungsgewinn führen kann (s. o.).

3. Zusammenfassung und Ausblick

Bitcoins bieten Gewerbetreibenden, aber auch privaten Endverbrauchern erhebliche Chancen und Risiken, derer man sich bei Transaktionen mit Bitcoins bewusst sein sollte. Insbesondere achtzugeben ist auf den Ansatz der deutschen Finanzverwaltung, wonach ein bloßer Bezahlvorgang mit Bitcoins Umsatzsteuer auslösen kann, da Bitcoins nicht als Zahlungsmittel anerkannt sind. Insbesondere beim privaten Bitcoin-Nutzer werden die aus dieser Auffassung resultierenden Risiken sichtbar: Wenn ein Verbraucher (oder andere nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Personen wie z. B. Banken) von einem Unternehmer Bitcoins erwerben, verteuern sich die Bitcoins quasi um die Umsatzsteuer. Dagegen erhält der Käufer beim Rücktausch der Bitcoins in Euro nur den Kurswert. Dadurch werden nicht nur private Bitcoin-Spekulationsgeschäfte unattraktiv, sondern vor allem auch der Kauf von Konsumgütern über das Internet.

Abhilfe kann hier nur der EuGH schaffen: Da der schwedische Oberste Verwaltungsgerichtshof die Fragen der Steuerbarkeit und der Steuerpflichtigkeit von Bitcoin-Geschäften dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hat (Vorabentscheidungsersuchen Hedqvist Az. C-264/14), darf man hoffen, dass sich der EuGH z. B. UK anschließen und die Übereignung von Bitcoins als nicht steuerbaren (bloßen Bezahl-) Vorgang einstufen wird. Richtigerweise dürfte hier schon gar kein steuerbarer Leistungsaustausch vorliegen, so dass es auf einen der Befreiungstatbestände für Finanzumsätze der MwStSyst-RL (Art. 135) nicht mehr ankommen sollte.

Der Bitcoin erfährt derzeit in Deutschland sozusagen das ungünstigste aus zwei Welten: Er wird reguliert wie ein Finanzprodukt, aber besteuert wie ein gewöhnliches Wirtschaftsgut. Auch wenn uns Asymmetrien zwischen den Einschätzungen zweier Behörden in Deutschland im online-business nicht fremd sind (Untersagungsbehörden neigen dazu, Poker als Glücksspiel einzustufen; aus Sicht der Steuerbehörde scheint es sich jedoch um ein Geschicklichkeitsspiel zu handeln), sollten derartige Inkonsistenzen in jedem Fall unterbleiben. Sie tragen nicht gerade zur Rechtssicherheit bei. Eine Abstimmung zwischen der Bundesaufsicht für Finanzdienstleistung (Bitcoins sind „Finanzinstrumente in der Form von Rechnungseinheiten” gemäß § 1 Abs. 11 S. 1 KWG) und dem Bundesministerium der Finanzen (Bitcoins sind Wirtschaftsgüter und die Verwendung von Bitcoins ist kein bloßer Zahlungsvorgang, sondern eine sonstige Leistung) ist dringend anzuraten, damit die praktische Nutzbarkeit von Bitcoins als „Cyberwährung“ durch ein innovationsfreundliches Steuersystem und durch einen sinnvollen Regulierungsansatz gestärkt und die Nachteile einer dezentralen Währung eingedämmt werden.