EuGH-Urteil im Fall Carmen Media (vertreten durch Hambach & Hambach Rechtsanwälte): Glücksspielstaatsvertrag verstößt gegen Unionsrecht – Schleswig-Holsteinisches Modell jetzt richtungsweisend
Pressemitteilung von Hambach & Hambach Rechtsanwälte
Das deutsche Glücksspielmonopol ist nach der Entscheidung des EuGH C-46/08 Carmen Media am Ende. Der EuGH stellt in seinem heutigen Urteil klar, dass das Verwaltungsgericht Schleswig zu Recht in seinem Vorlagebeschluss vom 30. Januar 2008 zum Ergebnis kam, dass die deutsche Glückspielregulierung nicht mit Unionsrecht vereinbar ist (vgl. Pressemitteilung vom 31. Januar 2008 front_content.php?idcat=7&idart=52&lang=1). So äußerte die Vorsitzende Richterin des VG Schleswig bereits in der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2008 die Rechtsauffassung, dass ein staatliches Glücksspielmonopol nur dann mit dem Ziel der Spielsuchtbekämpfung begründet werden könne, wenn alle rechtlichen Regelungen und tatsächlichen Ausgestaltungen eines Mitgliedsstaates zum gesamten Glücksspielmarkt und nicht nur die dem Sportwetten- und Lotteriemonopol zugrunde liegenden Vorschriften zum Gegenstand der Prüfung einer systematischen und kohärenten Spielbegrenzung gemacht werden. Konsequenterweise legte das Verwaltungsgericht Schleswig u. a. diese Kohärenzfrage dem EuGH zur Beantwortung vor.
• erstens privaten Wirtschaftsteilnehmern gestattet ist, andere Glücksspiele wie Pferdewetten oder Automatenspiele durchzuführen, und
• zweitens in Bezug auf Angebote anderer Glücksspiele wie Kasinospiele oder Automatenspiele in Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften sowie Beherbergungsbetrieben eine Expansionspolitik verfolgt wird.
Der EuGH betont, dass nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts Schleswig durch diese Expansionspolitik allein zwischen 2000 und 2006 die Zahl der in der Landeskompetenz stehenden Spielbanken von 66 auf 81 anstieg. Auch die Bedingungen für den Betrieb von Automatenspielen in anderen Einrichtungen als Spielbanken, etwa in Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften sowie Beherbergungsbetrieben (Bundeskompetenz), seien unlängst erheblich gelockert worden.
Ebenfalls außergewöhnlich deutlich wurde festgestellt, dass die Tatsache, dass verschiedenen Glücksspiele zum Teil in die Zuständigkeit der Länder und zum Teil in die des Bundes fallen, nicht zur Rechtfertigung gegen Unionsrechtsverstöße dienen kann.
Schließlich hat der EuGH ausgeführt, dass im Falle der Erteilung einer Erlaubnis an Carmen Media keine behördliche Willkür möglich ist und die Vergabe einer Erlaubnis auf objektiven, nicht diskriminierenden sowie im Voraus bekannten Kriterien be-ruhen muss.
Zur Frage, ob ein EU-lizenziertes Unternehmen, das im Sitzstaat keine Glücksspiele anbietet, sich auf die Dienstleistungsfreiheit berufen darf, verwies der Gerichtshof auf seine bisherige ständige Rechtsprechung, nach der die Dienstleistungsfreiheit auch in diesen Fällen gilt. Insbesondere wurde nochmals klargestellt, dass die von Generalanwalt Paolo Mengozzi aufgebrachten steuerlichen Gründe, die zu der in Gibraltar gültigen Regelung geführt haben, für die Frage der Reichweite einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis irrelevant sind.
Das Urteil des EuGH stellt damit in einer so nicht erwarteten Deutlichkeit fest, dass die tragenden Vorschriften des geltenden Glücksspielstaatsvertrages mit den Grundfreiheiten des Binnenmarktes nach dem Unionsrecht nicht vereinbar sind.
Dies bedeutet, dass die Diskussion über einen neuen Rechtsrahmen für Lotto und Glücksspiel ab sofort neu geregelt werden muss. Richtungsweisendes kommt dabei aus Schleswig-Holstein (siehe Eckpunktepapier der Regierungskoalition zu neuem Glücksspielgesetz:
http://www.ltsh.de/presseticker/2010-06/0 9/11-58-46-11a9/PI-TA9l1hGp-cdu.pdf), gefolgt von Niedersachsen (vgl. http://www.isa-guide.de/gaming/articles/30 385_niedersachsen_will_gluecksspielstaatsvertrag_novellieren.html) und nach heutiger Presseerklärung auch von der Hessen-FDP, die das EuGH-Urteil wie folgt kommentiert: „(…) Der vielleicht gut gemeinte Staatsvertrag hat sich als Nachteil für das staatliche Lottomonopol herausgestellt“, so Florian Rentsch, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag und Wolfgang Greilich, innenpolitischer Sprecher der Landtagsfraktion.
Hessen müsse nach Auffassung der beiden Liberalen nun schnellstmöglich einen rechtmäßigen Gesetzentwurf vorlegen, der die Entscheidung des EuGH berücksichtigt und eine Liberalisierung vorsieht. http://www.fdp-hessen.de/webcom/show_ article_pm.php/_c-181/_cat-/_nr-2273/_p-/_ao-/_lkm-/i.html
Das rechtliche Gezerre um das Glücksspielmonopol hat nun endlich ein Ende gefunden Nun ist auf politischer Ebene Augenmaß und Sachverstand gefordert. Es gibt viel zu tun – also packen wir es an!